Alle Jahre wieder findet der NaNoWriMo statt. Das ist der National Novel Writing Month, der schon längst in International Novel Writing Month hätte umbenannt werden sollen. Die Herausforderung ist, 50.000 Wörter in den 30 Tagen des Novembers zu schreiben und dabei einen Roman bzw. dessen Rohfassung fertig zu stellen.
NaNoWriMo – ja oder nein?
Ich habe mit dem NaNoWriMo so eine Love-Hate-Beziehung. Fast jedes Jahr lasse ich mich erneut von der Energie, die um das Event herum entsteht, anstecken und wage das Abenteuer, in einem Monat 50.000 Wörter zu schreiben. Fast jedes Mal bin ich damit hart auf die Nase gefallen. Nur einmal gewann ich den NaNoWriMo, das war noch vor den Kindern und ich hatte den ganzen Monat Urlaub.
Zu den schnellen Schreibern gehöre ich ganz und gar nicht. Dazu kommt, dass ich es bevorzuge, eine saubere erste Fassung zu schreiben.
Dieses Jahr hatte ich tatsächlich geplant, teilzunehmen, falls ich im Oktober sowohl genug Zeit zum plotten und auch für die Erholung finden würde. Das war aber nicht der Fall.
Die Arbeiten an Seelenspalter verzögerten sich und es gab genug Probleme im Real Life, so dass ich Ende Oktober kaum vorbereitet und ziemlich erschöpft war. Das waren keine guten Voraussetzungen. Daher stand ich vor der Wahl, ob ich den NaNoWriMo einfach sein lasse, los-pantse oder mir lieber ein Zeitziel setze und alles Mögliche schreibe.
Rein zufällig fiel das lange Wochenende mit dem Reformationstag genau auf das Ende des Oktobers. Das war ideal zum Schlaf tanken und Kraftschöpfen und so fiel bei mir doch die Entscheidung, am NaNoWriMo teilzunehmen. Ich grub ein altes Projekt aus, an dem ich vor ein paar Jahren herumgeplottet hatte und zumindest wusste, wer meine Charaktere sind und wie die Geschichte enden soll. An Vorbereitung war das arg dünn, aber es erschien mir einen Versuch wert.
Allerdings war ich nicht so verblendet, dass ich mir 50K zum Ziel setzte. Nein, mir ging es eher um das tägliche Schreiben. Ich würde alles zählen, was ich schrieb, also nicht nur das Manuskript, sondern auch Newsletter und Journaleinträge, und wollte mindestens 60 Pomodoros (oder heißt das Pomodori?) in die Schreibzeit stecken. Möglichst weit in der Rohfassung meines namenlosen Projektes voran zu kommen war dabei ein Bonus.
Dabei war mir klar, dass ich mindestens an zwei Tagen pro Woche wegen anderer sozialer Verpflichtungen kaum oder gar nicht zum Schreiben kommen würde.
Wie lief es?
Die ersten Tage fühlten sich sehr holprig an. Ich mochte die Prosa, die ich da schrieb, ganz und gar nicht und musste mich ständig daran erinnern, dass dies nur das Skelett einer Rohfassung sein sollte. Es waren oft nur Handlungszusammenfassungen, innere Monologe und Dialogfetzen. Nach den ersten drei Tagen schaffte ich das Tagessoll nicht mehr und begann zurückzufallen. Das war der Moment, an dem ich ans Aufgeben dachte.
Aber das primäre Ziel war ja nicht der Wordcount, sondern die Schreibzeit. Also Zähne zusammen beißen und weitermachen. Meine Schreibzeit war praktisch immer spät abends, zwischen 22:00 Uhr und Mitternacht. Zwar war ich nach dem Arbeitstag ziemlich müde, andererseits erreichte ich einen Punkt, an dem mein innerer Kritiker sich bereits ins Bett verabschiedete und ich einfach drauf losschrieb.
Daraufhin entwickelte die Geschichte ein Eigenleben und ich wollte sehen, wo sie mich hinführt. Denn diese Fassung entwickelte sich ganz anders als mein erster abgebrochener Versuch von vor 3 Jahren. Die Charaktere nahmen Gestalt an und ich merkte, dass vieles, was ich mir für die Handlung notiert hatte, gar nicht so funktioniert, aber dafür sich ganz neue Handlungsstränge entwickelten. Vor allem merkte ich, dass ich deutlich mehr als in den letzten Jahren schrieb und das war unglaublich motivierend.
Es gelang mir, nicht allzu weit hinter dem Soll zurückzufallen, aber zum Ende der zweiten Woche hin, machten sich die regelmäßigen Schlafdefizite doch bemerkbar und während der dritten Novemberwoche brachen meine täglichen Wortzahlen ein. Das war wieder ein Zeitpunkt, an dem ich über das Aufhören nachdachte.
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Nun muss ich einschieben, dass ausgerechnet im November auf Twitter dank Elon Musk das Chaos ausbrach und es schließlich auch mir zu viel wurde. Obwohl ich Twitter (bis jetzt) nicht komplett den Rücken gekehrt habe, war es an der Zeit, sich zumindest einen alternativen Account zuzulegen. Ich fand meine Zweitheimat auf der Mastodon-Instanz literatur.social. Diese wendet sich an (vorwiegend deutschsprachige) Büchermenschen. Das machte es ausgesprochen einfach, dort Anschluss zu finden und außerdem tummelten sich dort zunehmend auch die Buchliebhaber und Autoren, die ich schon auf Twitter kannte.
Mastodon hat ab Version 4 ein wirklich tolles Feature. Du kannst Hashtags abonnieren und das macht es wirklich einfach, deine lokale Timeline interessenfokussiert auszurichten. Meine TL war voll mit Tröts über den NaNoWriMo und das gegenseitiges Anspornen half mir, diese mutlosen Momente zu überwinden.
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Ich nutzte das dritte Wochenende, um auszuschlafen und setzte dann zum Sprinten an. An dem Sonntag schrieb ich in über den Tag verteilt über 3600 Wörter. Das ist ein persönlicher Rekord. Natürlich habe ich das nicht in einem Zug geschafft. Ich habe das im Zeitraum von 12:30 Uhr bis 22:30 getan, in drei Sessions von ungefähr jeweils 2 Stunden. Zwischendurch habe ich mich sogar eine halbe Stunde hingelegt. Das hat mir gut getan. Mein Output sank dabei stetig, aber ich bin dran geblieben, was wohl das Wichtigste war.
Klar, innerhalb der Arbeitswoche konnte ich diese Schreibleistung nicht aufrechterhalten. Zudem wurde auch noch mein Jüngster krank. Aber passenderweise fiel das Ende des NaNoWriMo auf einen Samstag und ich konnte tatsächlich meinen vorigen Rekord brechen, in dem ich einfach alles an fragmentarischen Szenen ins Manuskript schmiss, war mir noch in den Sinn kam. 3.859 Wörter mag für manche nichts Besonderes sein, für meine Verhältnisse ist es sensationell. Ich beendete den November total erschöpft und hochzufrieden mit 40.080 geschriebenen Wörtern.
Die Tools
NaNoWriMo.org – Ich aktualisiert auf der offiziellen Website täglich meine Wortzahl und verfolgte meinen Fortschritt, aber mehr auch nicht. Im Gegensatz zu den Vorjahren verbrachte ich dort nur minimal Zeit. Ich nutzte auch nicht die Foren und die E-Mail-Messages hatte ich abgeschaltet.
Statt dessen suchte ich meine Motivation auf Mastodon. Tatsächlich habe ich dort vermutlich viel zu viel Zeit verbracht, die ich besser ins Schreiben gesteckt hätte. 😉
Ganz entscheidend, um den täglichen Wordcount zu steigern, erwies sich die Gamification-App 4theWords. Ich habe die (kostenpflichtige) Web-App früher schon benutzt, dann aber fast drei Jahre pausiert. Für NaNoWriMo veranstaltet 4theWords regelmäßig ein Event. Diesmal ging es um Drachen trainieren. Wie konnte ich da Nein sagen? Die Word-Battles gegen die Monster sind wirklich effektiv, um die Wortzahlen Stück um Stück zu steigern.
Die App Creative Companion meines Autoren-Kollegen Lars Hannig ist ein weiteres Motivationstool. Sie bietet Schreibmaschinengeräusche, zählt geschriebene Wörter und funktioniert als Pomodoro-Timer. Ich hätte nicht gedacht, dass Schreibmaschinen-Geräusche mich in den Flow bringen können, aber es funktioniert. Probiert es aus.
Fazit
Dieses Jahr war mein bester NaNoWriMo seit 2005. Ich habe jeden Tag geschrieben. Mein Ziel von 60 Pomodoros überbot ich, es waren dann 97,5. Und 40K ist ein respektables Ergebnis. Ich bin wirklich zufrieden.
Allerdings gibt es natürlich auch die Kehrseite. Ich habe iim November so ziemlich alles außer dem Brotjob und NaNoWriMo schleifen lassen und alle Termine auf den Dezember verschoben. Zum Glück sind meine Jungs schon Teens und ziemlich selbstständig.
Der stete Schlafmangel hat mir sehr zugesetzt. Wie so oft nach einer solchen Anstrengung bin ich im Dezember in ein energiemäßiges Loch gefallen und ich rappel mich erst jetzt so langsam wieder auf. Regelmäßig kann ich solche Monate also nicht durchziehen.
Werde ich nächstes Jahr wieder am NaNoWriMo teilnehmen? Vermutlich, vorausgesetzt, ich kann mir den Monat von Verpflichtungen freihalten und den Oktober zur Vorbereitung nutzen.